Arbeit 1012 (Engere Wahl)

Architektur Visualisierung
  • Burckhardt+Partner GmbH, Berlin mit
  • Buro Happold, Berlin

Erläuterungen

Das Kopfgebäude steht als städtebauliches Merkzeichen am oberen Rand des Campus. Es hebt sich dabei in Höhe, Anmutung und räumlicher Verbindung zwischen Innen- und Außenraum von der Umgebungsbebauung ab. Transparenz, Kommunikation und Offenheit sind dabei auf allen Ebenen baulich vertreten und verleihen C1 einen extrovertierten Raumcharakter. Dagegen vermittelt der Baukörper B1 einen eher introvertierten Eindruck, der die einzelnen Etagen funktional miteinander verknüpft.

Beide Bauten weisen den unteren Etagen die öffentlichen, den oberen die internen Flächen zu. Der Hörsaal bildet dabei das Herz des Kopfgebäudes und befindet sich inmitten der öffentlichen Bereiche. Im HSS-Gebäude orientieren sich die öffentlichen Flächen an einem zentralen Innenhof und bieten den Studierenden somit eine, in das Campusgebäude integrierte, Freifläche. Die Arbeitsflächen in den oberen Etagen können dabei auf vielfältige Art und Weise gestaltet werden. Von Open-Space zu Einzelbüros, von Lernlandschaften zu Seminarräumen.

Die Bauten werden dabei als zukünftiges Recyclingmaterial gedacht und werden zu einer Urban Mine. Entsprechend der Definition des Umweltbundesamts, entspricht Urban Mining der Materialsammlung im Bestand. Bereits gebaute Gebäude werden somit in ihrem Lebenszyklus betrachtet und als zukünftig, recycelbare Materialien gesehen. Die Gebäude werden somit bereits im Entwurf als rückbaufähig skizziert. Die Holzhybrid-Konstruktion trägt dabei zu einer erleichterten Auf- und Rückbauweise bei und schreibt den jeweiligen Materialien eine Funktion zu. Stahlbeton wird zu Kernen, Holz zu Decken.

Beurteilung

Die Qualität des Entwurfes liegt in der eindeutigen Haltung zwei differenzierte Gründungsbaukörper für die UTN zu entwickeln. Der Fokus liegt dabei auf dem in Farbgebung hell ausformulierten mittleren Kopfbau C1, welcher sich in Gestalt und Formensprache als offener, einladender und extrovertierter Baukörper darstellt. Flankierend wird das Gebäude B1 als eher dunkler, geschlossener und introvertierter Baukörper ausgebildet.

Das Herzstück des Kopfbaus C1 bildet der abgesenkte zentral situierte Lehrsaal. Eine gekonnte Geste an prominenter Stelle, die die Studierenden in den Mittelpunkt rückt, umspült von kommunikativen Foyer- und Ausstellungsflächen sowie der Cafeteria. Diese klare, großzügige und einladende Erdgeschosssituation wird aus architektonischer und nutzungsspezifischer Sicht sehr begrüßt und lässt stets wertvolle Ein- und Durchblicke zu, vor allem in den Hörsaal und in die grüne Campusmitte.

Die Transparenz des Hauptbaukörpers C1 mit seinen umlaufend auskragenden und filigran wirkenden Geschossen, wird auch in der wohltuend klaren Grundrissausbildung in den Obergeschossen fortgeführt. Sie ermöglicht den Nutzern eine intuitive Orientierung im Gebäude, schafft aus seiner Logik heraus Kommunikationsflächen, die zum Verweilen einladen. Die Fluchtwegsituation in ihrer jetzigen Form weist allerdings Mängel auf. Die Entfluchtung der notwendigen Treppenhäuser im Erdgeschoss ist derzeit nicht gewährleistet.

Das mittige Herzstück wird als durchgesteckter Lichthof bis ins Dach fortgeführt. Die Lehrflächen gruppieren sich im 1. und 2. OG entlang der Außenfassaden, in obersten Geschossen sind dort klassische Verwaltungsflächen angeordnet. In Teilbereichen werden open Space Bereiche und zuschaltbare Kommunikationsräume vorgeschlagen. Diese werden grundsätzliche positiv bewertet, jedoch erscheinen sie aufgrund der großen Tiefe schlecht belichtet zu sein.

Auch im Baukörper B1 erfolgt grundlegend eine vertikale Schichtung der Flächen von öffentlichen zu internen Bereichen. Die frequentierten Publikumsflächen sind dabei alle logisch im EG angeordnet. Für die Obergeschosse wird eine nachvollziehbare, klassische Bürostruktur vorgeschlagen. Auch hier werden die teilweise schlecht belichteten zuschaltbaren Flächen bemängelt. Die Fassaden sind eher geschlossen gehalten und tragen zu Gunsten des transparenten Hauptbaukörpers, der etwas untergeordneten Rolle Rechnung.

Verbindendes Element für beide Baukörper ist ein großes ausladendes Dach mit PV-Anlage. Als Bonusfläche für das Gebäude C1 wird ein Dachgarten vorgeschlagen, der eine zusätzliche hohe Aufenthaltsqualität für die Nutzer erwarten lässt.

Die Funktionalität wird durch das Preisgericht und den Nutzer insgesamt gut eingeschätzt. Im Gebäude C1 erscheint die Erdgeschossorganisation als sehr gut gelöst. Der zentral gelegene Hörsaal ist aus Nutzersicht sehr zu begrüßen. Für die innenliegenden Bereiche ab dem 2.OG auf der Ost- und Westseite wären geeignete Nutzungen bzw. Konzepte zu finden, die der schlechten Belichtung und Sichtverbindung nach außen Rechnung tragen. Im Gebäude B1 erscheint der Eingangsbereich im Osten großzügig und nutzungsgerecht. Die innenliegenden Bereiche in den Obergeschossen östlich des Innenhofs sind hinsichtlich Belichtung und Belüftung nicht optimal. Für die innenliegenden Bereiche östlich der Erschließungskerne in den Obergeschossen müssen geeignete Nutzungen bzw. Konzepte gefunden werden.

Die technische Bewertung für die Bereiche Maschinenwesen und Elektrotechnik ergeben sich erhebliche kritische Punkte. Grundsätzlich erscheinen die Technikflächen sowohl der Zentralen Betriebstechnik als auch der Verteilung in beiden Fachdisziplinen nicht ausreichend dimensioniert zu sein. Die Anordnung, Größe und Begehbarkeit der Schächte und deren Ausfädelung ist entsprechend kritisch zu be- werten. Je Anlagengruppe sollten die Technikzentralen getrennt ausgewiesen werden – was nicht der Fall ist. Die Übergabepunkte der technischen Medien in den Gebäuden sind nicht dargestellt. Gemäß Auslobung geforderte Berechnungen, Vordimensionierungen und Funktionsschemata liegen nicht vollständig vor, wodurch die festgestellten Diskrepanzen zwischen Raumbuch und Grundrissen nicht aufgeklärt werden konnten. Bei der Aufteilung der zentralen Elektroanlagentechnik wurde die Leitungsanlagenrichtlinie nicht eingehalten. Im Bereich Maschinenwesen ist die Auskömmlichkeit der Fensterlüftung in Teilbereichen nicht nachgewiesen.  

Zum Themenfeld des Brandschutzes und des Tragwerks wurden einige kritische Punkte diskutiert:

In beiden Gebäuden sind die gesicherten Ausgänge für die notwendigen Treppenräume nicht dargestellt. Die horizontalen Rettungswege in den Geschossen zu den Treppenräumen benötigen zusätzliche Unterteilungen. Zudem ist in C1 Brandabschnittstrennung nicht nachgewiesen. In B1 ist die Lastabtragung im Erdgeschoss über den Seminarräumen und der Versatz des Tragrasters nicht schlüssig. Zudem ist der Versatz des Tragrasters im 1.Obergeschoss Gebäude C1 statisch unklar.

Die Arbeit wurde zudem zum Themenfeld Nachhaltigkeit intensiv diskutiert. Die Energie- und Nachhaltigkeitskennwerte des Beitrages – Fensterflächenanteile, Kompaktheit, Energiebedarf und PV-Eigenstromversorgung – liegen im Wettbewerbsmittel. Während beim Gebäude B1 die Tageslichtversorgung insgesamt durch einige innenliegende Besprechungsräume im mittleren Bereich liegt, sorgen im Gebäude C1 die geringen Gebäudetiefen und die angemessene Lichthofgeometrie, trotz teilweise innenliegender Aufenthaltsbereiche, für eine günstige Tageslichtversorgung. Bei B1 sorgt der mäßige textile Sonnenschutz in Verbindung mit den mittleren Fensterflächenanteilen Ost-West für ein mittleres Raumklima, auch bei C1 führen die hohen Ost-West-Fensterflächenanteile in Verbindung mit einem außenliegenden effizienten Sonnenschutz zu einem mittleren Raumklima. Durch die in das Gebäude integrierten PV-Pergolen auf den Dachgärten schafft das Gebäude B1 keine Klimaneutralität im Betrieb, Gebäude C1 gelingt es durch etwas mehr potentielle Fläche annähernd klimaneutral im Betrieb zu werden.

Insgesamt zeichnet sich die Arbeit durch ihre sehr eigenständige Haltung aus den mittleren Gründungsbaukörper mit seiner deutlichen Adressbildung in den Fokus zu stellen. Die offene und freundlich Gesamterscheinung bildet einen architektonisch eindeutigen und ansprechenden Auftakt für die UTN und bietet somit einen sehr wertvollen Wettbewerbsbeitrag.