Arbeit 1004 (Engere Wahl)

- Nickl Architekten Deutschland GmbH, München mit
- Planungsgruppe VA GmbH, Nürnberg und
- B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH, Frankfurt
Erläuterungen
Offenheit und Kommunikation zählen zu den Grundwerten der neuen Universität. Das Hauptgebäude C1 nimmt diese Werte mit auf und bietet ein durchsichtiges Erdgeschoss, durch das der dahinterliegende Campus sichtbar wird. Der Außenraum unter dem Gebäude wird somit zu einer Verbindung vom Campusgelände zur Stadt. Durch seine kreisrunde Form bietet es einen, von allen Seiten gleichwertigen, Zugang. Orange-rote Freitreppen im Gebäudeinneren sind dabei bereits von außen erkennbar und leiten die Besucher*innen über ein Atrium durch das Gebäude.
In den ersten beiden Etagen befinden sich Lehr- und Lernräume. Seminarräume, Arbeitslandschaften und ein Hörsaal sorgen für eine lebendige Atmosphäre, in der der interdisziplinäre Austausch durch individuelle Raumstrukturen begünstigt wird. In der dritten und vierten Etage befinden sich die Verwaltung und weitere, etwas ruhigere Nutzungsbereiche. Informelle Bereiche und offene Sitzgruppen bieten hier einen individuell ausgerichteten Raum, um diverse Formen der Arbeit zu ermöglichen. So können sowohl leise, als auch lautere, gesprächsintensivere Arbeiten integriert werden. Mit der Gebäudestruktur lässt sich auch die Dichte der Besucher*innen einordnen. Durch die öffentlichen Funktionen der beiden unteren Ebenen werden eingangsnahe Bereiche geöffnet, weiter oben liegende Flächen als Ruheraum markiert.
Im Sinne einer sich schnell wandelnden Universität bildet das Grundgerüst eine flexible Struktur, das sich auf häufig ändernde Anforderungen einstellen kann. Pro Etage können dabei vier Neueinheiten platziert und durch Flurtrennwände ergänzt werden. Um eine nachhaltige und bestandsfähige Fassade zu gewährleisten, bilden hinterlüftete Aluminiumverkleidungen und natürliches Holz eine solide Konstruktion, die eine zusätzlich umweltbewusste Außenwirkung erzielt. Umlaufende Ebenen zeichnen die Etagen in der Fassade ab und präsentieren das Gebäude jeweils als Hauptseite. Die oberste Etage ist dabei vollständig begrünt, sowohl an der Fassade als auf dem Dach. Die Ebenen dienen als baulicher Sonnenschutz, wodurch von technischen Installationen abgesehen und Energie eingespart werden kann.
Beurteilung
Die VerfasserInnen schlagen zwei Baukörper vor, die sich äußerlich zwar unterscheiden, ihre Verwandtschaft aber nicht verleugnen: ein zurückhaltend präsentierter Bauteil C1, horizontal geschichtet mit großen Fensteröffnungen und einem Bauteil B1, dem eigentlichen Gründungsgebäude der neuen Technischen Universität, sehr ähnlich, geschichtet aber deutlicher ausformuliert.
Ein prägnanter grüner Hut krönt das neue Haus. Diese einfache, aber deutliche und weithin sichtbare Geste könnte dem Gebäude zu der Signifikanz verhelfen, die einer derartigen Bauaufgabe angemessen ist und sich die beteiligten Akteure wünschen. Gleichwohl wurde diese Geste auch kontrovers diskutiert, da sich hinter dieser grünen Geste ausschließlich Technikräume verbergen und die Tiefe der möglichen Begrünung in vorgeschlagener Form wenig realistisch erscheint.
Die sehr kompakte Erdgeschosszone von B1 kann noch nicht überzeugen. Der Eingangsbereich könnte eindeutiger herausgearbeitet sein, die Belichtungssituation des innenliegenden Foyers wird hinterfragt. Die Obergeschossgrundrisse folgen einer klassischen Bürohauslogik. Leider befinden sich einige Besprechungsräume und fachspezifische Flächen innenliegend und ohne Außenbezug.
Beim zentralen Bauteil C1 überrascht die weitgehend offene Erdgeschosszone. Das Bemühen, dadurch eine Nord - Südverbindung zwischen dem Universitätscampus, dem „Tisch für Alle“ und dem öffentlichen Grünzug zu schaffen, diese Flächen damit zu verknüpfen und diesen Verknüpfungsbereich als Signal einer offenen Universität, die den Austausch, Lebendigkeit und Kommunikation in den Mittelpunkt stellt, zu offerieren, wird anerkannt. Ob dies jedoch in Bezug auf die konkrete Bauaufgabe und die vorgegebene städtebauliche Intention einen echten Mehrwert darstellt, wird durchaus sehr kontrovers diskutiert, insbesondere auch deshalb, da hierdurch der zentrale Kommunikationsbereich, welcher durchaus Qualitäten aufweist, in das 1. Obergeschoss verwiesen wird. In den weiteren Geschossen sind die Kernzonen an die zentrale Halle mit großer Raumtiefe und leider ohne natürliche Belichtung angegliedert.
Die Funktionalität wird differenziert durch das Preisgericht und den Nutzer diskutiert. Die Verbindung der nördlichen und südlichen Grünräume durch die freie Erdgeschosszone im Gebäude C1 wird positiv bewertet. Es erscheint jedoch fraglich, ob diese Fläche qualitativ dauerhaft eine attraktive Eingangs- und Aufenthaltssituation bietet. Die Haupttreppe vom Erdgeschoss in das erste Obergeschoss wird voraussichtlich nicht die Nutzerströme zu den nutzungsintensiven Räumen in den Obergeschossen bewältigen können. Zudem erscheint die Lage des Audimax im 1. OG aus Nutzersicht ungünstig. Die Anbindung der Cafeteria an die Obergeschosse ist nicht klar ausformuliert und erscheint unklar.
Im Gebäude B1 wird die Erschließung ins Gebäudeinnere von Norden und Osten nur über schmale Stiche, die voraussichtlich nicht nutzungsgerecht sind, kritisch gesehen. Die Lufträume scheinen ungeeignet zu sein, die innenliegende Räume hinreichend zu belichten.
Die technische Bewertung für den Bereich Maschinentechnik ergibt einige kritische Punkte. Die Anordnung, Größe und Begehbarkeit der Schächte und deren Ausfädelung wird kritisch bewertet. Die RLT-Zentralen erscheinen in Bezug auf Dimensionierung, Einbringung, Größe und Anordnung unbefriedigend zu sein. Je Anlagengruppe sollten die Technikzentralen getrennt ausgewiesen werden, was hier nicht der Fall ist. Entsprechende Reserven gemäß Auslobung waren für Schächte und Zentralen auszuweisen, sind aber nicht nachgewiesen. Die Auskömmlichkeit der Fensterlüftung in Teilbereichen wird nicht belegt.
Für den Bereich Elektrotechnik werden ebenfalls einige Punkte kritisch diskutiert. Auch hier wird die Anordnung, Größe und Begehbarkeit der Schächte und deren Ausfädelung kritisch bewertet. Einbringmöglichkeit, natürliche Belüftung und Druckentlastung der Trafo und Mittelspannungsschaltanlagenräume sind nicht dargestellt oder fehlen. Sämtliche Technikräume sind im Grundriss unvollständig dargestellt, inklusive der Sekundärtechnik PV-Anlage. Die Anordnung der Verteilerbereiche kann nicht befriedigen. Entsprechende Reserven gemäß Auslobung waren für Schächte und Zentralen auszuweisen, sind aber nicht nachgewiesen.
Zum Themenfeld des Brandschutzes und des Tragwerks wurden einige kritische Punkte diskutiert:
Im Gebäude B1 fehlen die notwendigen Treppenräume im Erdgeschoss für einen sicheren Ausgang ins Freie. Die horizontalen Rettungswege in den Geschossen dürfen nicht ausschließlich über das offene Atrium zu den notwendigen Treppenräumen geführt werden. Im Gebäude C1 erscheint das Konzept der Brandabschnittstrennung unklar zu sein. Die Führung beider Rettungswege allein über den offenen Luftraum wird hinterfragt. Zudem ist das Tragwerk zu Gebäude C1 über dem großen Seminarraum ist nicht ablesbar und bleibt unverständlich.
Die Arbeit wurde zudem zum Themenfeld Nachhaltigkeit kritisch diskutiert. Trotz angemessener Fensterflächenanteile ist die Tageslichtversorgung nur mäßig (C1) bzw. unzureichend (B1) gelöst. Dies resultiert aus den sehr hohen Gebäudetiefen, den vielen innenliegenden Nutzflächen sowie den nur teilweise an die Fassade angebundenen Erschließungszonen. Beim Baukörper C1 wird zudem die natürliche Belichtung durch die großen Auskragungen eingeschränkt. Diese Auskragung als passiver Sonnenschutz wirkt bei C1 ausreichend effizient. Bei den Ost-West-Fassaden sowie den geringen Auskragungen beim Baukörper B1 ist der sommerliche Überhitzungsschutz hingegen nicht vorhanden. Während die gewählte Holz-Beton-Hybrid Konstruktion einen Beitrag zur Ressourcenschonung leistet, liegen der spezifische- und Gesamt-Energiebedarf infolge des deutlich erhöhten Kunstlichtbedarfs über dem Wettbewerbsmittel. Ein klimaneutraler Betrieb erscheint nur bedingt bzw. nicht umsetzbar.
Insgesamt stellt die Arbeit einen interessanten Beitrag dar, weist aber einige Mängel in der inneren Organisation und in den technischen, energetischen und wirtschaftlichen Teilbereichen auf.